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13.07.2021 - Adelgundenheim: Familien zeigen in der Krise, wie stark sie sind


Die Psychologische Beratungsstelle des Erziehungshilfezentrums Adelgundenheim im Münchner Stadtteil Lehel hat derzeit besonders viel zu tun. In einem Beitrag der Sendereihe "Total Sozial" des Münchner Kirchenradios berichtet Sozialpädagoge Felix Dietz von den Sorgen und Nöten der Kinder und Jugendlichen in Zeiten von Corona.

Die Zeiten des Lockdowns waren einsame Zeiten, in denen man zu viel im Internet herumhing. Das war besonders für Jugendliche sehr belastend. Die Folgen zeigen sich jetzt. Foto: Pixabay
In einem Beitrag unter dem Titel „Jugendliche leiden unter den Folgen des Lockdowns“ widmet sich das Münchner Kirchenradio der Psychologischen Beratungsstelle des Adelgundenheims, in der sich derzeit die Anfragen häufen. Die Pandemie hat Kinder und Jugendliche in besonderer Weise belastet. Das zeigt sich nun in der Beratungsstelle in der Münchner Unsöldstraße. Dort wird versucht, zusammen mit den Familien einen guten Weg zu finden, um ihre Probleme zu bewältigen.

Im ersten Lockdown im letzten Jahr war noch nicht viel von der Belastung der Heranwachsenden in der Beratungsstelle angekommen. Man versuchte, mit einem Familientelefon dem vermuteten Ansturm zu begegnen (lesen Sie dazu auch diesen Beitrag). Aber der blieb zunächst aus. Felix Dietz: "Die Familien hatten auf Krisenmodus geschaltet, jetzt galt es zu 'überleben'." Aber das war nur die Ruhe vor dem Sturm, denn mit dem zweiten Lockdown änderte sich das. Dann reifte in den Familien nämlich die Erkenntnis: Dieser Zustand wird nicht schnell überwunden sein, sondern noch länger anhalten. "Auf einmal war keine Kraft mehr da, viele verfielen in Lethargie", schildert Dietz der Münchner-Kirchenradio-Redakteurin Brigitte Strauß.
 

Sozialpädagoge Felix Dietz arbeitet bei der Psychologischen Beratungsstelle des Erziehungshilfezentrums Adelgundenheim. Foto: St. Michaelsbund
Zum Nachhören

Wenn Sie den interessanten Beitrag aus der Sendereihe Total Sozial des Münchner Kirchenradios (MKR) nachhören wollen, finden Sie ihn hier in der Mediathek auf mk-online.de. Total Sozial können Sie immer freitags um 16 Uhr hören auf DAB+ und im Webradio, außerdem als Podcast überall dort, wo es Podcasts gibt. Lesen Sie dazu auch die Berichte in der Münchner Kirchenzeitung vom 25. Juli 2021, sowie ab dem 27. Juli 2021 auf mk-online.de. 
Hartes Jahr für Familien

Die Probleme, mit denen die Familien zur Beratungsstelle kamen, zeugten von der Verunsicherung, der Erschöpfung und der Ungeduld, die sich nun ausbreitete. Felix Dietz: "Das war ein hartes Jahr für alle Familien." Nun zeigte sich, wie belastet die Kinder und Jugendlichen teilweise waren, manche äußerten gar Suizid-Gedanken. In diesen Fällen schicken Dietz und seine KollegInnen die Kinder und Jugendlichen zum Kinder- und Jugendpsychiater oder Psychotherapeuten. Dietz räumt aber ein, dass es schwierig ist, bei diesen Experten einen Termin zu bekommen. Während der Wartezeit begleite man in der Beratungsstelle die Familien aber weiter. Was ihn besonders freute: zu sehen, wie stark Familien gerade in Zeiten von Krisen sein können.
 
Kräftezehrende Perspektivlosigkeit

Vor allem Jugendliche hatten in der Krise schwer zu tragen. Die wichtigen Fragen dieser Jahre "Wer bin ich?" und "Wo will ich hin?" und "Wie bekomme Abstand zu meinen Eltern?" Ließen sich in den Corona-Monaten während des Lockdowns nicht beantworten. Die Eltern mussten den Spapat schaffen, auf der einen Seite das Autonomiebestreben ihrer Jugendlichen zu unterstützen, und auf der anderen Seite die Krise in einem Haushalt gemeinsam zu bewältigen. Hinzu kamen wichtige berufliche Entscheidungen, die nur schwer gefällt werden konnten: weiterführende Schulen, Lehrstellensuche, Auslandsaufenthalte, Praktika. Dietz: "Diese Perspektivlosigkeit ist wahnsinnig kräftezehrend."
 
Die Aufgaben der Psychologischen Beratungsstelle

Hier finden Familien Hilfestellung in allen Belangen, die das Familienleben betreffen: angefangen vom Kleinkind, das viel schreit oder nicht durchschläft, über Schulprobleme von Kindern, typische Pubertätskonflikte mit Jugendlichen bis hin zu Konflikten zwischen den Elternteilen. Dabei gilt es, den Eltern nicht zu vermitteln: Das macht ihr falsch, macht es so, sondern zusammen mit den Familien zu überlegen, was sie ändern können, damit es in ihrer Familie, zu diesem Zeitpunkt und mit ihren Möglichkeiten besser wird. 

Kinder und Jugendliche brauchen die Gruppe. Manchmal müssen sie das Zusammensein nach den Lockdowns aber erst wieder lernen. Foto: Pixabay
"Homeschooling in den Ferien? Bitte nicht. Ferien sind Ferien! Wenn dann ohne Druck. Lieber auch mal alle Fünfe grade sein lassen."

Felix Dietz, Sozialpädagoge an der Psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Erziehungshilfezentrums Adelgundenheim in der Total Sozial Sendung "Jugendliche leiden unter den Folgen des Lockdowns".

Aber auch jetzt, da es mit den Lockerungen wieder leichter wird, ist es nicht einfach. Denn so schwer man sich in die Situation einfand, so schwer ist es manchmal wieder aus ihr herauszufinden - vor allem dann nicht, wenn man seine Tage im Jogginganzug mit Homeschooling und Social Media zugebracht hat.
 
Dabei sollen die Kinder von jetzt auf gleich wieder "funktionieren". Dietz plädiert dafür, in dieser Phase einen "milden Blick" beizubehalten. In die neue Normalität müsse man sich erst wieder hineinfinden. Das sei auch dann wichtig, wenn ein Kind (noch) nicht wieder seinen früheren Hobbys nachgeht, obwohl es eigentlich möglich wäre. Auch hier kann die Beratungsstelle unterstützend helfen.
 
Die Zeit der Ferien sieht Dietz als Chance, dass sich die Familien wieder zusammenfinden. Sie sollten sich Zeit nehmen, und keiner sollte Druck machen. „Ich habe die stille Hoffnung, dass diese Krisensituation auch hilfreich war. Die Familien konnten lernen, wie man es schafft, miteinander Probleme zu bewältigen. Bei neuen Herausforderungen kann man dann ab jetzt immer sagen: 'Schaut mal, das haben wir schon gepackt. Dann bekommen wir das jetzt auch noch hin.'"
 
Text: Gabriele Heigl, KJF-Pressesprecherin
 
Hier bekommen Sie Unterstützung

Das Angebot der Psychologischen Beratungsstelle des Erziehungshilfezentrums Adelgundenheim ist kostenfrei und gilt allen Familienformen. Mit einer kleinen Wartezeit ist zu rechnen, aber jede/r bekommt einen Termin. Man kann sich auch anonym dorthin wenden. Es gibt bayernweit zahlreiche Erziehungsberatungsstellen. Die Münchner finden Sie zum Beispiel hier.